Das Lesesinnverständnis bei hörgeschädigten und gehörlosen Jugendlichen
Kontext
In der Förderung und Therapie (Logopädie) hörgeschädigter Jugendlicher mit Hörverlust gibt es nahezu keine Anhaltspunkte, wie eine effektive Unterstützung aussieht. Speziell im Bereich Lesesinnverständnis (Ganz besonders bzgl. beim Verstehen grammatikalisch herausfordernder Satzkonstruktionen) sehen sich die Jugendlichen immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert. Es fehlen Studien, der Forschungsbedarf ist gross; so müssen Therapeut*innen immer wieder nach dem Prinzip «Try and Error» arbeiten und eine effektive Förderung wird mehr und mehr zu einem glücklichen «Zufallstreffer».
Über das Projekt
Wir erhoffen uns über bildgebende Verfahren (Enzephalographie, kurz EEG) neuronale Einblicke in die Verarbeitung von Stimuli, die auf die grammatikalischen Aspekte des Lesesinnverständnisses abzielen; uns interessiert, ob hierbei Unterschiede zwischen Jugendlichen mit Hörverlust und hörenden Gleichaltrigen auszumachen sind. Wenn dabei neue Erkenntnisse gewonnen werden können, erhöht dies die Chance auf die Entwicklung darauf aufbauender Förder- und Therapiematerialien und damit auf eine effektivere Unterstützung in Unterricht und Logopädie.
In einem ersten Schritt werden von den Jugendlichen individuell Informationen zu deren Anamnese eingeholt (beispielsweise: Cochlea Implantat (CI) vorhanden? Wenn ja, wann hat die Versorgung stattgefunden? Wie konsequent wird es getragen/genutzt?). Zusätzlich planen wir die Testung der Leseflüssigkeit (dies kann vor Ort an den jeweiligen Schulen stattfinden). Im zweiten Schritt werden die neuronalen Aktivitäten der Proband*innen – sowie der Kontrollgruppe – getestet. Wir planen eine Untersuchung via EEG, welche voraussichtlich in unseren Labor-Räumlichkeiten der UZH stattfinden werden. Die Lese-Testungen sind in für die Zeit direkt nach den Sommerferien angedacht, die EEG-Untersuchungen vermutlich im Herbst 2024.
Am Projekt teilnehmen
Jugendliche im Alter von 13-18 Jahren, welche schon seit geraumer Zeit im deutschsprachigen Raum leben und sicher die deutsche Sprache beherrschen, sind dazu eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Wichtig ist, dass das Vorliegen einer Dyslexie ausgeschlossen werden kann. Für die Zielgruppe werden Jugendliche mit starkem oder vollkommenen Hörverlust gesucht, für die Kontrollgruppe Gleichaltrige mit normalem Hörvermögen.
Erkenntnisse aus dem Projekt
Schüler*innen der Klasse 9 RB der Realschule St. Josef Schwäbisch Gmünd haben zusammengefasst, was ihnen aufgrund ihrer Beeinträchtigung Schwierigkeiten bereitet:
- lange Wörter dem Sinn nach zu erfassen und die einzelnen Buchstaben zu differenzieren
- Verwechslungen beim Buchstabieren: z.B. t und d zu unterscheiden, b und d, eu, sch, sp und ä,ö,ü
- Schreiben nach Gehör bereitet uns allen grosse Schwierigkeiten, vor allem Diktate sind für uns schwierige Situationen (zuhören, Wort verstehen, überlegen wie es geschrieben wird, aufschreiben)
- Textaufgaben in Mathematik dem Sinn nach zu erfassen und zu verstehen
- doppelte Buchstaben bereiten uns Schwierigkeiten
- aus langen Sätzen mit vielen Komata, den Sinn zu verstehen, ist sehr schwierig. Vor allem wenn mehrere Arbeitsanweisungen kommen, die wir alle der Reihe nach erledigen sollen
- Fremdsprachen zu erlernen (Englisch, Französisch)
- unklare Arbeitsanweisungen erschweren uns die Ausführung
- Demotivierung durch viele Rechtschreibfehler
- wenn in Klassenarbeiten die Fragen anders formuliert werden, als sie im Unterricht gelernt werden
- Gleichaltrige lernen weniger und schreiben bessere Noten. Machen sich z.T. über uns lustig. Dies führt zu Frustration